Jochen Feucht Quartett - Open Time

Dass es unglaublich schwierig ist, als junger (zumal deutscher) Musiker Jazz-CDs zu machen, die ein übersättigtes Publikum interessieren können, ohne auf populistische Mätzchen zurückzugreifen, ist eine Binsenweisheit, die einem erst dann mal wieder einfällt, wenn eben solch ein junger Jazz- Musiker es schafft. Dem bei Stuttgart lebenden Saxophonisten und Klarinettisten Jochen Feucht ist mit "Open Time" dieses Meisterstück geglückt.

Mit einer hervorragenden Rhythmusgruppe, in der vor allem der Schlagzeu- ger Alan Jones durch sein originelles, variantenreiches Spiel auffällt, interpre- tiert er melodienselige Eigenkompositionen, oft eher in gemächlichem Tempo. Der besondere Reiz geht dabei von der Wahl seiner Instrumente aus: Feucht beschränkt sich auf Sopransaxophon und das im Jazz selten zu hörende Bassetthorn. Die gedeckten Klänge dieser Instrumente schaffen eine einneh- mend melancholische Stimmung, die durch den Einsatz eines zusätzlichen Violoncellos auf drei Stücken noch unterstützt wird. So dringt stellenweise die Strenge klassischer Formen in die Musik des Quartetts ein.

Ein Zweifel aber, dass es sich hier um eine moderne Jazz-Platte handelt, wird wohl kaum aufkommen. Zu dicht ist die Interaktion des Quartetts, zu originell auch die Linien der Solisten, zu frisch und improvisiert das gemeinsame Spiel der Gruppe. Feuchts Kompositionen sind unspektakulär und zweckdienlich, auch das Klangbild der CD ist frei von Produktionsspielereien. Es wirkt einzig die Kraft der Musik, und bei aller Melancholie erliegen weder Spieler noch Hörer der Depression, sondern sonnen sich im Spätsommerlicht des Blues.
 

Stephan Richter, FonoForum 8/2006